Liebe Lehrende,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
trotz der positiven Aussicht auf eine mehr oder weniger umfassende Rückkehr zur Präsenzlehre ist für viele Lehrende eine in den vergangenen Semestern als große Herausforderung empfundene Lehrsituation weiterhin präsent: Das Phänomen massenhaft ausgeschalteter Kameras in Live-Sitzungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten, einen lernförderlichen Austausch zwischen den Studierenden und der Lehrperson zu etablieren. In diesem Praxistipp möchten wir etwas näher beleuchten, was hinter diesem Phänomen steckt, und wir geben praktische Hinweise, wie Lehrende dieser Herausforderung konstruktiv begegnen können.
Praxistipp diese Woche: Kommunikation in Live-Sitzungen - Anregungen für den Umgang mit ausgeschalteten Kameras
Wie präsent ist das Phänomen ausgeschalteter Kameras im Lehralltag? |
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Im Sommersemester 2020 haben die Studierenden und Lehrenden der Freien Universität im Rahmen breit angelegter Befragungen auch über ihre Erfahrungen mit ausgeschalteten Kameras in Live-Sitzungen berichtet. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich tatsächlich um ein sehr präsentes Phänomen und nicht nur um die Erfahrungen Einzelner handelt: Jeweils rund drei Viertel der Studierenden und der Lehrenden geben an, dass in vielen ihrer Live-Sitzungen ein Großteil der Studierenden die Kamera nicht eingeschaltet hatte.
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Warum schalten Studierende ihre Kamera nicht ein? |
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Die Ursachen für die Entscheidung, die Kamera in Live-Sitzungen nicht einzuschalten, sind vielfältig. Neben naheliegenden Gründen wie technischen Problemen, unzureichender technischer Ausstattung oder dem Wunsch, private Räume vor fremden Blicken zu schützen, schildern Lehrende in Erfahrungsberichten eine ganze Reihe weiterer Auslöser: Angst vor illegalen Mitschnitten, das unangenehme Gefühl, permanent im Aufmerksamkeitsfokus zu stehen („Spotlighting“), Nebentätigkeiten während der Live-Veranstaltung (z. B. Kinderbetreuung oder auch der parallele Besuch einer weiteren Lehrveranstaltung), psychische oder physische Beeinträchtigungen oder einfach „Schwarmverhalten“ bzw. Gruppenzwang.
Nach den Beweggründen von Studierenden, die Kamera oft ausgeschaltet zu lassen, hat sich u. a. Prof. Jörn Loviscach umgehört: „Die stumme, dunkle Wand in Zoom“
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Sind ausgeschaltete Kameras zwangsläufig ein Problem? |
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Klar ist: Das Einschalten der Kamera in Live-Sitzungen beruht auf Freiwilligkeit und kann nicht erzwungen werden. Es ist also davon auszugehen, dass sich Studierende tendenziell dann für die Videoübertragung entscheiden, wenn aus ihrer Perspektive die Mehrwerte mögliche Nachteile überwiegen. Diese Annahme wird auch durch Ergebnisse der Studierendenbefragung an der Freien Universität gestützt. Aus Lehrendensicht lohnt es sich also zu reflektieren, für welche Lehr-Lern-Settings eingeschaltete Kameras wichtig sind und in welchen bewusst darauf verzichtet werden kann.
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Wie können Studierende zum Einschalten ihrer Kamera motiviert werden? |
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Insbesondere in kleineren Veranstaltungen und in Situationen, in denen soziale Präsenz besonders wichtig ist (z. B. zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses oder zum Kennenlernen innerhalb einer Arbeitsgruppe), können ausgeschaltete Kameras problematisch sein. Mit folgenden Maßnahmen kann die Motivation der Studierenden, ihre Kamera einzuschalten, erhöht werden (nach Gerner, 2020):
- Kameranutzung ankündigen
- Regeln & technische Möglichkeiten erklären (z. B. virtuelle Hintergründe)
- Mehrwerte aufzeigen
- Hürden & Ängste ansprechen
- Perspektive der Lehrperson erläutern
- Gruppenarbeit initiieren (auch als Übungsmöglichkeit)
Als „Eisbrecher“ kann es zudem hilfreich sein, zu Beginn der Veranstaltung die Kameranutzung spielerisch einzuführen – Ideen für entsprechende kurze Online-Spiele finden sich auf der folgenden Seite: Online Warm-up Finder.
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Wie können Lehrende trotz ausgeschalteter Kameras Feedback erhalten? |
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In eher großen Veranstaltungen mit geringem Interaktionsanteil kann auf die Videoübertragung häufig ohne gravierende didaktische Einbußen verzichtet werden. Für Lehrende ist es dann jedoch schwer einschätzbar, ob sich hinter den „Kacheln“ aufmerksam zuhörende Personen verbergen oder sie in einem (fast) leeren „Hörsaal“ vortragen. Diese Situation empfinden viele Lehrende als sehr unbefriedigend und belastend. Aus Sicht von Prof. Dr. Verena Gerner lautet der Schlüssel hier: Aktivierung! Dies kann erreicht werden durch kurze Abstimmungen, Quizze, schriftliche Abfragen im Chat oder auch durch die Adaption bekannter Methoden wie Zurufabfrage oder Murmelgruppen. Werden die Studierenden zum Interaktionspartner, kann dies nicht nur als Indiz für den Grad der Aufmerksamkeit dienen, sondern darüber hinaus den Lernprozess unterstützen (Gerner, 2020).
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Bildquelle: Alexander Sperl, CC BY-SA 4.0
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