Learning Analytics an österreichischen Hochschulen

Projektübersicht und Auslotung von Potenzialen und Grenzen anhand eines Anwendungsbeispiels der Universität Graz

Workshopleitung

Mag. Dr. Michael Kopp, Zentrum für digitales Lehren und Lernen, Universität Graz

Silvia Lipp, BSc MSc, Institut für Wirtschaftspädagogik, Universität Graz

Datum

16.02.2024

Struktur der Veranstaltung

Vortrag mit integrierter Diskussion

Zusammenfassung

Learning Analytics (LA) als interdisziplinäres Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Erhebung, Analyse, Darstellung und Interpretation von Daten aus Lehr-Lernkontexten mit dem Ziel, Lehr-Lernprozesse zu optimieren. Der Vortrag beginnt mit einer Einführung in LA im Hinblick auf Definition, Ziele, Datenbasis und Forschungsstand. Derzeit gibt es noch wenige Anwendungsszenarien und eine untergeordnete Berücksichtigung der Lehrenden- und Lernendenperspektive sowie Forschungsarbeiten aus pädagogisch-didaktischer Sicht. Das vorgestellte Anwendungsbeispiel an der Universität Graz setzt hier an. LA wurde in zwei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen über sieben Semester eingesetzt. Dazu wurde ein Dashboard für Lernende und Lehrende entwickelt und in das Lernmanagementsystem Moodle implementiert. Eine Begleitforschung setzte in den Semestern unterschiedliche Schwerpunkte und identifizierte Potenziale und Grenzen. Die Potenziale für die Studierenden reichen von der Unterstützung bei der Organisation, Lernplanung und Zielsetzung über das Erhalten von kontinuierlichem Feedback bis hin zur Beeinflussung der Selbstwirksamkeit und Lernmotivation. Lehrende nutzen LA vor allem als Monitoring-Instrument, als Indikator für die Anpassung von Lernarrangements und zur Verbesserung der Lehre sowie zur Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Studierenden. Gleichzeitig zeigen sich auch kritische Punkte beim Einsatz von LA, die insbesondere ethische Aspekte rund um Datenschutz, Privatsphäre oder Diskriminierung und das Wohlbefinden der Studierenden betreffen. So empfinden Studierende LA zwar als unterstützend, gleichzeitig führt LA aber auch dazu, dass sich ein Teil der Studierenden unter Druck gesetzt und demotiviert fühlt, dass datenbasierte Etikettierungen zu Fehlförderungen führen können oder dass der Einsatz von LA auch einen Überwachungseffekt hervorrufen kann, indem Studierende ihr Verhalten an die Vorgaben von LA anpassen. Bei den Lehrenden wurde ein Mangel an Data Literacy festgestellt, der neben einer zusätzlichen Arbeitsbelastung auch Herausforderungen bei der Nutzung und Interpretation von Daten mit sich bringt. Bedenken hinsichtlich der Einschränkung der professionellen Autonomie und der datenbasierten Ausrichtung der Lehrpraxis wurden ebenfalls als Grenzen identifiziert.

Diskussion

In den integrierten Diskussionsanteilen wurden seitens der Teilnehmenden besonders die vielfältigen Potenziale von LA hervorgehoben in Verbindung mit Überlegungen zu den Problematiken. Folgende Fragestellungen wurden adressiert und gemeinsam erörtert:

  • Welche didaktischen Mehrwerte lassen sich ausmachen und wie lässt sich dies in die (hochschulweite) Anwendung bringen?
  • Welche Daten dürfen von welchen Personen eingesehen und bearbeitet werden?
  • Welche Evidenz gibt es zur Wirksamkeit von LA?

In der Diskussion standen u.a. Rankings und Vergleiche mit Peers, die sich sowohl motivierend als auch demotivierend auf Studierende auswirken können (Gefahr von erhöhtem Leistungsdruck, besonders für Leistungsschwächere), ebenso wie die Frage, ob das Wissen über genutzte Lerninhalte (z.B. Anzahl der Klicks, Bearbeitungsdauer) in Zusammenhang mit dem Lernerfolg gebracht werden kann. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand auch das Thema Datenschutz und das (fehlende) Bewusstsein um Risiken. Eine aus dem Teilnehmerkreis dargestellte universitätsweite Befragung zeigt eine grundsätzlich positive und aufgeschlossene Einstellung Lehrender und insbesondere Studierender zu LA, was sich mit den Forschungsergebnissen der Vortragenden deckt. Konstatiert wurde, dass sich eine generell positive Einstellung zur Digitalisierung auf unterschiedliche Bereiche überträgt und das Bewusstsein um negative Aspekte noch wenig ausgeprägt ist.

Take-aways

LA erfordern sorgfältige Überlegungen hinsichtlich:

  • Übereinstimmung von LA-Zielen mit Zielen, Design und Assessment der Lehrveranstaltung
  • Datenverantwortung und Datenethik
  • Kompetenzen der Lehrenden und Lernenden
  • Bewusstsein für das Spannungsfeld zwischen Pädagogik und Technik und in diesem Zusammenhang für das begrenzte Interpretationspotenzial von Daten
  • Einsatzspektrum von LA: LA als Instrument, aber nicht als Ersatz für Lehr-Lernhandeln verstehen

Links:

IMooX: Lehren mit Learning Analytics

IMooX: Learning Analytics für die Hochschullehre

Projekt: OER Portal der Uni Graz - Projektendbericht "Learning Analytics: Auswirkungen von Datenanalysen auf den Lernerfolg"

Workshopleitung

Silvia Lipp ist Universitätsassistentin am Institut für Wirtschaftspädagogik an der Universität Graz mit den Forschungsschwerpunkten technologiegestütztes Lehren und Lernen, Hochschullehre und Lehr-Lernforschung. In der Lehre hat sie Learning Analytics eingesetzt, erprobt und erforscht. Ihre Dissertation widmet sich einer kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung mit Learning Analytics aus hochschuldidaktischer Perspektive.

Michael Kopp ist Leiter des Zentrums für digitales Lehren und Lernen an der Universität Graz. Er verantwortet die Entwicklung von Methoden, Strategien und Lösungen im Bereich der Mediendidaktik und der Medienproduktion sowie in Hinblick auf den Einsatz von Bildungstechnologien. Im Bereich Learning Analytics leitete er für die Universität Graz zwei hochschulübergreifende Projekte.

Learning Analytics an österreichischen Hochschulen: Projektübersicht und Auslotung von Potenzialen und Grenzen anhand eines Anwendungsbeispiels der Universität Graz © 2024 by Silvia Lipp and Michael Kopp (Universität Graz) is licensed under CC BY-NC-ND 4.0.

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